19. Dezember 2016

Das Istanbul Lisesi und das Fremdenprivileg


Der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Dr. Theodor Heuss, vertreten durch den Außenminister Dr. Heinrich von Brentano di Tremezzo, und der Präsident der Türkischen Republik Mahmud Celâl Bayar, vertreten durch den Minister für die öffentlichen Arbeiten und Interimsaußenminister İbrahim Ethem Menderes, Bruder des ersten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten der Türkei Ali Adnan Ertekin Menderes, Außenminister Prof. Mehmet Fuat Köprülü, gestorben am 20. Juni 1956, ist noch immer nicht ersetzt, schließen am 8. Mai 1957 ein Kulturabkommen ab, türkisch Kültür Anlaşması. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein türkischer Kollege Vahit Melih Halefoğlu unterzeichnen in Ankara, am 26. Mai 1986, ein Zusatzabkommen, die Deutschen Schulen in der Türkei betreffend.

Liest man das Kulturabkommen und das Zusatzabkommen, so stellt man fest, daß inhaltlich nichts darin steht, auf das die eine oder die andere Seite festgelegt werden könnte. "Jede Vertragspartei wird bestrebt sein", "die Vertragsparteien prüfen", "werden bemüht sein", "nach Möglichkeit bemüht sein", "sich dafür einsetzen". Was geprüft und nach Möglichkeit geschehen soll, wird im Artikel 12 des Kulturabkommens vage umrissen:

"Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkem die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln, und zwar durch
a) Bücher, Zeitschriften und andere Veröffentlichungen;
b) Vorträge und Konzerte;
c) Kunst- und andere Ausstellungen kultureller Art;
d) Theateraufführungen;
e) Rundfunksendereihen über das kulturelle Leben des anderen Landes, Filme, Schallplatten und               andere technische Ausdrucks- und Verbreitungsmittel."

Kultur- und Zusatzabkommen heißen nur so; sie sind nach gutem osmanischen Brauch Kapitülasyonlar = Kapitulationen, nämlich des Bittstellers aus dem Abendland vor dem türkischen Herrscher. Zu Deutsch heißt ein solches scheinbar von Gleich zu Gleich geschlossenes Abkommen Fremdenprivileg. Das gewährt der osmanische bzw. der türkische Herrscher den Ungläubigen, und er kann es ihnen ohne Angabe von Gründen und ohne Vorwarnung entziehen, wann immer es ihn gut dünkt. Mit seinem Tod endet das Fremdenprivileg auf jeden Fall.

Das geschieht soeben. Das Fremdenprivileg wird einseitig außer Kraft gesetzt:

TROTZ KULTURABKOMMEN
Weihnachten an deutscher Schule in Istanbul verboten. WELT, 18. Dezember 2016

Der türkische Herrscher gewährt nun doch, daß Weihnachten im Unterricht behandelt wird.

Beim Abkommen zwischen der Türkei und der EU über die Flüchtlinge war es schon so: Merkt jemand, welches Spiel die Türken mit Fremdenprivileg und Kapitülasyonlar treiben? Sie handeln wie immer, und die EU unterwirft sich, wie es sich für Ungläubige gehört: EU geht auf Türkei zu.


König François I von Frankreich macht die Erfahrung mit einer 1536 geschlossenen Französisch-osmanischen Allianz. Er bildet sich ein, es handelte sich um ein Abkommen zwischen Gleichen.

Die Botschaft Frankreichs in Ankara schreibt, als ob sie nichts wüßte:

En février 1536, un Traité d’alliance en bonne et due forme est conclu. Connus sous le nom de "Capitulations", les textes conclus offrent à la France un droit de représentation permanente avec Ambassade et Consulats ainsi que des avantages pour le commerce avec la Sublime Porte ; privilèges complétés par la protection des pèlerins se rendant en Terre Sainte.

Im Februar 1536 wird in guter und angemessener Form ein Bündnisvertrag abgeschlossen. Bekannt unter dem Namen "Kapitulationen", bieten die Texte Frankreich ein Recht der ständigen Vertretung mit Botschaft und Konsulaten sowie Bevorzugungen für den Handel mit der Hohen Pforte: Sonderrechte, vervollständigt durch den Schutz der Pilger, die sich ins Heilige Land begeben.

Von Toulon, 1543, und Paris, 1940, hat die Botschaft noch nichts vernommen?

Bis Mai 1544 ruinieren er und seine Kämpfer Toulon.

Der Korsar Barberousse belegt den Ankerplatz von Toulon mit 200 Galeeren und 30 000 Mann, ohne daß ihm der geringste Widerstand entgegengesetzt wird ... und aus gutem Grund. König François I hat 1525 die militärische Hilfe des Sultans Suleiman erbeten, um aus der Gefangenschaft des Kaisers Karl V befreit zu werden. 491 Jahre Unterwerfung Frankreichs unter Muslime!

Schon einmal gehört oder gelesen von Kapitulation? 

500 Jahre Kapitulation der Europäer vor Muslimen, 500 Jahre Abhängigkeit von der Gnade des osmanisch-türkischen Herrschers, und wie's aussieht, fühlen sich alle doch irgendwie wohl dabei und sind dankbar, wenn sich die Gunst des Sultans ihnen zuwendet. Das stimmt Allah dem türkischen Herrscher gegenüber gnädig; er weiß, daß die Deutschen keine Konsequenzen ziehen, sondern untertänigst um die nächsten Fremdenprivilegien bitten: Visafreie Einreise in die EU für alle Türken? Aufnahme der EU ins türkische Reich? Weitere Subventionierung in der Türkei lebender Kinder?


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