10. September 2014

Islam. ... weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Der Islamische Staat - der nichts mit dem Islam zu tun hat, und den man besser "IS" nennen würde oder "die Organisation von al Baghdadi", denn ihm diese Bezeichnung fortzunehmen, heißt, ihm einen symbolischen Sieg zuzugestehen.

L'État islamique - qui n'a rien à voir avec l'islam et qu'il vaudrait mieux appeler "EI" oder "l'organisation d'al-Baghdadi", car reprendre cette appellation est lui accorder une victoire symbolique.

Es vergeht kein Tag da diejenigen, die das Land schützen sollten, und diejenigen die darüber und über eventuelle Versäumnisse bei diesem Schutz berichten sollten, nicht ihre mangelnde Kenntnis des Islam und der ihm Unterworfenen demonstrieren. Können, wollen oder dürfen sie nicht verstehen?

Heute äußert sich der leidenschaftliche Musikliebhaber und Autor einer Biographie über den Linkshänder Jimi Hendrix, Professor für Politikwissenschaft in Paris und 2012 Autor eines Buches über die Geschichte Gazas, selbstverständlich pro-palästinensisch-arabisch und gegen Israel gerichtet: Histoire de Gaza, der ehemalige Diplomat Jean-Pierre Filiu, in einem Interview mit Marie-Amélie Lombard-Latune: "L'État islamique est capable de mille 11 septembres". Der islamische Staat ist zu tausend 11. Septembern fähig. Wie immer sind solche Zuchtperlen den Abonennten vorbehalten, francophone Glaubenskämpfer ohne Zugang zur Papierausgabe des Figaro müssen sich ja nicht unbedingt auf Kosten der französischen Medien ausschütten vor Lachen darüber, daß ihre Operationen nichts mit dem Islam zu tun haben sollen: IS is a Muslim Organization.

Was die Journalistin verschweigt, was man aber mit zwei Klicks bei Wikipedia und Wikipédia nachlesen kann: Jean-Pierre Filiu ist auch Professor an amerikanischen Universitäten und Gastreferent an amerikanischen Think Tanks gewesen, hat zehn Bücher verfaßt, darunter sind einige im Original in amerikanischen Verlagen erschienen, in einem von ihnen beschreibt er die "demokratische Erhebung" in den arabischen Staaten Ägypten und Tunesien, und er war und ist Kabinettsmitglied bzw. Berater der Innen-, Verteidigungs- und Premierminister sozialistischer Regierungen Frankreichs. Wie die meisten derartigen Arabisten und Islamwissenschaftler trägt er einen wohlgestutzten Bart und schließt, wenn die Kamera auf ihn gerichtet ist, islamisch-spirituell in Demut die Augen; denn es gilt, den Muslimen Ehre zu erweisen. Ist er schon konvertiert?

Auch der informative Artikel des Grand Reporters Georges Malbrunot L'ordre barbare du califat ist nur für Abonennten. Georges Malbrunot ist der einzige kompetente Experte des Figaro, der in den Ländern lebt, die Sprache spricht und sich bestens auskennt. Im Archiv meiner alten Website finden sich 85 Artikel über ihn und seine Arbeit, auf diesem Blog gibt es davon 20. Bei Interesse gebe man in die Suchfunktion seinen Namen ein.

Nirgends liest man von Georges Malbrunot jemals, der Terror der Muslime hätte nichts mit dem Islam zu tun. Er begibt sich nicht auf dieses dünne Eis, sondern er schildert die Lage und bedient sich dazu seiner eigenen und der Erfahrungen vertrauenswürdiger anderer Experten, so derer des Haytham Manna, eines syrischen Oppositionellen, der nach dreimonatiger Beobachtung vor Ort das Buch Le Califat de Daech geschrieben hat. Das Kalifat des Islamischen Staates. Das Kalifat beruhe auf der Organisation ehemaliger Militärs des Regimes von Saddam Hussein, eben jener, die nach 2003 von den Amerikanern bis auf den letzten Mann aus der irakischen Armee vertrieben und nicht wenige von ihnen über die Jahre schwer gefoltert werden, sowie auf dem religiösen Fanatismus seines Chefs, des "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi, der umgeben sei von einem Kriegsrat, mit "Ministern" und "Gouverneuren", die die eroberten Gebiete im Irak und in Syrien verwalten. Dies sei auch eine Vorkehrung für den Fall, daß die Spitze des IS, eine Gruppe von einem halben Dutzend Vertrauten, eines Tages liquidiert würde.

Zentrum und Brutstätte für die fanatischen Glaubenskämpfer sei das Gefängnis von Bucca gewesen, in dem Mitte der Jahre 2000 die Amerikaner ihre Folterungen durchgeführt hätten. Fadel Ahmad Abdallah al-Hiyali alias Abu Muslim al-Turkmani, der neue Chef der Gegenspionage des Kalifats, komme aus eben dem Gefängnis. Die Waffen würden größtenteils vom bulgarischen Schwarzmarkt bezogen. So tragen die EU und die NATO indirekt auch ihren Teil bei zur militärischen Stärke des Islamischen Staates, das Geschäft läuft zur allseitigen vollen Zufriedenheit.

Der 51-jährige Abu Bakr al-Baghdadi wird von Georges Malbrunot vorgestellt als ehemaliger Professor für Scharia, was der Phantasterei vom Islamischen Staat, der nichts mit dem Islam zu tun hätte, jede Rechtfertigung nimmt. Von den ca. 200 Saddam-Offizieren in seinen Diensten erklärt der Kalif, daß sie allesamt zu guten Muslimen geworden wären. 25 000 Glaubenskämpfer haben einen Eid auf das Kalifat geschworen, davon 6 000 allein im Juli. Ihr Sold belaufe sich auf $ 300 bis $ 2000 im Monat, finanziert aus den ca. $ 2 Milliarden, die das Kalifat aus Erdöleinnahmen, anderen Geschäften, erzwungenen Spenden von Geschäftsleuten und Lösegeld für westliche Geiseln beziehe.

Das Kalifat, es nennt sich Daech, werde allmählich unabhängig von privaten Fonds aus Saudi-Arabien, Katar und Kuwait: L'EI a quasiment assuré son autofinancement. So teilt Georges Malbrunot mit, wer den Islamischen Staat in seiner Anfangsphase finanziert und damit überhaupt erst ermöglicht hat. Zur religiösen Rechtfertigung der Verbrechen gäbe es einen majlis al-choura, der aus saudischen, kuwaitischen und maghrebinischen Imamen bestehe, die aber als Ausländer nur relatives Vertrauen des Kalifen genössen. Eine der wenigen Ausnahmen bilde Abu Omar der Tschetschene. Für die Auslese der ankommenden ausländischen Glaubenskämpfer sei Abdallah Ahmad al-Meshedani zuständig. Den Namen interpretiert Georges Malbrunot nicht weiter. Meshed oder Mashad, im Iran, ist ein Zentrum des schiitischen Islam. Wer zu arm ist, nach Mekka zu pilgern, geht wenigstens einmal im Leben nach Meshed. Den Gärtner meiner Gastfamilie im Iran nannte man Meshed-Hussein.

Schon der Name des Kämpfers ist eine Ansage an den schiitischen Islam.

Irakische und syrische Stämme, die sich der Unterwerfung unter Abu Abakr al-Baghdadi verweigerten, würden insgesamt vertrieben und stattdessen Familien aus dem Kaukasus angesiedelt, wie es die aus der Sklaverei befreiten Mamelucken im Dienste des Kalifen des 12. Jahrhunderts gewesen seien. Der Autor überläßt es interessierten Lesern, sich über die Mamelucken und ihr Machtgefüge zu informieren, über die zentralasiatischen, kaukasischen, türkischen und osteuropäischen Militärsklaven. Er gibt die passenden Stichwörter, die einem Überlegungen zum weiteren Verlauf des Projektes nahelegen.

Zum Schluß läßt er noch einmal Haytham Manna zu Wort kommen: Nous sommes confrontés à un projet diabolique qui associe le fascisme nationaliste à l'obscurantisme religieux. Wir stehen einem teuflischen Projekt gegenüber, das den nationalistischen Faschismus verbindet mit dem religiösen Obskurantismus.

So ist es, das ist die korrekte Beschreibung der totalitären Politideologie Islam.