17. November 2012

WELT-Kommentare zur NSU-Farce


488 märchenhafte Seiten einer Anklageschrift. Die Bundesanwaltschaft zeichne "ein neues Bild". Beate Zschäpe sei "Geldmanagerin". Im völkisch-rassischen Wahn befangene rechtsextreme Verbrecher radeln durch Deutschland und bringen "zum Erhalt der deutschen Nation" ihnen unbekannte Türken und (aus Versehen?) einen Griechen um. Am 4. November 2011 richten sich zwei des Trios selbst. Das hinterfragt die Anklageschrift nicht. Was Beate Zschäpe angeht: In dem Trio scheint keine Frauenquote nötig, da hat die Frau die Hosen an.

Schon lange hat mir die WELT nicht mehr solche Freude bereitet. Danke dafür!

Die WELT verschönert mein Wochenende, weniger mit dem Artikel als mit den Kommentaren der Leser. Bitte, liebe Redaktion, löscht sie nicht, sie sind ein Zeitzeugnis, das die desolate Lage der deutschen Justiz, des Verfassungsschutzes und der Bundesregierung trefflicher nicht charakterisieren könnte: "keine beweise nur mutmasungen ......."

"Was ist das für eine unseriöse Staatsanwaltschaft, die der Presse rechtswidrig Anklageschriften übermittelt? Lässt auf den Schwächen Wert der Beweislage schließen."

Völlig selbstverständlich ist es in Deutschland inzwischen, aus einer Anklageschrift eines laufenden Verfahrens zu zitieren. Ich bin im Jahr 2005 bis in den letzten Winkel Frankreichs verfolgt worden, weil ich auf ausdrücklichen Wunsch (!) eines Angeklagten die an ihn gerichtete Anklageschrift mit Satire-Niveau veröffentlicht habe, es geht darin um Klopapier, das mit "KORAN, DER HEILGE QUR-ÄN" bestempelt ist. Wenn Satire gleichzeitig 'ne Anklageschrift ist, gelten Sonderregelungen. Wer dennoch lachen will, der lese die Satire des Amtsgerichtes Lüdinghausen: "Hallo, Mitbürger!"

Nun zu diesem Kommentar: "Auch Hat uns noch niemand erklärt, warum derart hasserfülle, schwer bewaffnete Menschen, 'nur' neun Morde an scheinbar nicht öffentlich relevanten Personen zustande bekommen und warum sich Überzeugungstäter selbst richten."

Und zu diesem: "Ich würde dagegen mehr erfahren über die Beteiligung des Staates, aber hier schweigen die Berichterstatter...."

Ich versuche es noch einmal und bringe die neun Morde in Zusammenhang mit den Wahlen zur Türkischen Großen Nationalversammlung: Neonazis. Bozkurtlar, die Grauen Wölfe als freie Mitarbeiter der Beamten des deutschen Verfassungsschutzes.

Wie wäre es mit der dreiköpfigen Terrorgruppe als Auftragsmörder, wenn sie denn die Mörder sind, und die Beamten überwachen routinemäßig, daß auch die richtigen Systemfeinde des Recep Tayyip Erdogan ermordet werden. Dazu wird beispielsweise Andreas T. sich im Internet-Café so positionieren, daß er den Eingang und das Opfer gut sehen kann. Kein Wunder, daß er sich nicht äußert.

Die vier bzw. fünf Morde liegen zeitlich in gutem Abstand zu den Wahlen vom 18. April 1999, 3. November 2002 und 22. Juli 2007, sie häufen sich jeweils in der Mitte zwischen den Wahlterminen. Nach den letzten Wahlen sitzt die AKP fest und unangefochten im Sattel, der Beseitigung von Systemgegnern bedarf es nicht mehr. Ist schon erwogen worden, in eine solche Richtung zu ermitteln?

Und was die WELT angeht, noch einmal: Die Kommentare zur "Geldmanagerin" sind alle herrlich!

"Ich fürchte, Herr Generalbundesanwalt Hartmut Range ist mit seiner Anklage als Tiger gesprungen und wird als Bettvorleger landen..."

Spur der "Döner-Morde" führt zu Grauen Wölfen. DER SPIEGEL, 19. Februar 2011