8. August 2011

Israel. Le Figaro hat Probleme mit Zahlen und Fakten

Der Jerusalem-Korrespondent des Figaro Marc Henry und AFP lesen YNetNews, daher haben sie, die anscheinend gar nicht dort anwesend sind während der Prosteste, die 250 000 Demonstranten des Samstagabends, 6. August 2011. Gil Ronen kommentiert die Zahl auf Arutz7: Journalist takes magnifying glass to reports about 300,000 protesters, says real number is about 65,000. Ein Journalist nimmt ein Vergrößerungsglas für die Berichte über ungefähr 300 000 Protestierende; er sagt, die tatsächliche Zahl läge um 65 000.

Ma'ariv's Uri Radler calls this claim "physically impossible." The length of Kaplan Street in Tel Aviv, where the protest took place, is 564 meters, he explains, and its average width is 30 meters, sidewalks included. The total area of the central protest was close to 17 dunams (over four acres and close to 17,000 square meters).

Uri Radler, von Ma'ariv sagt, daß diese Behauptung 'physisch unmöglich' ist. Die Länge der Kaplan Straße in Tel Aviv, wo die Proteste stattfanden, beträgt 564 Meter, erklärt er, und ihre durchschnittliche Breite ist 30 Meter, die Gehsteige eingeschlossen. Der gesamte Bereich des zentralen Protestes betrug um die 17 dunams (mehr als vier Acker, an die 17 000 Quadratmeter).

Die von YNetNews für den Jerusalemer Paris Platz angegebene Zahl von 30 000 Demonstranten, schätzt er nach Auswertung von 90 Fotos der Menge und die gezählten Häupter auf tatsächlich 2 457, Kommen&Gehen eingeschlossen, höchstens aber 5 000. Es sei einfach unmöglich, daß auf den Platz 30 000 Menschen passen.

Am 8. August liest man im Figaro einen weiteren Artikel des Marc Henry, von zwei früheren habe ich im Artikel Israel. Le Figaro ereifert sich über zu teuere Mieten berichtet. Von Jerusalem, seinem Sitz, erfährt man darin wenig bis nichts. Vielleicht ist er ja doch ins ferne Tel Aviv aufgebrochen? Es sind immerhin 63 Kilometer!

Der Titel des Textes kolportiert die aufgeblähten Zahlen der Ausmaße des Protestes, l'ampleur de la contestation. Der Premierminister habe angenommen, daß sich der seit drei Wochen anhaltende Protest, "la révolte des tentes", die Zeltrevolte gegen den zügellosen Anstieg der Mietpreise, wieder auflöse. Er habe sich der bedeutendsten Bewegung zur Abstimmung in der Geschichte des Landes gegenüber gesehen, wie sich die Medien ausdrückten, avec quelque 300.000 manifestants dans les rues samedi soir à Tel-Aviv, Jérusalem et dans d'autres villes, mit einigen 300 000 Demonstranten am Samstagabend in den Straßen von Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten. Die Organisatoren der Bewegung hofften, ein günstiges Kräfteverhältnis gegen die Regierung hergestellt zu haben. Wie staunt man, daß die spontane Protestbewegung nun als das benannt wird, was sie ist, eine organisierte Herausforderung der Regierung und der Wirtschaft des Landes.

Inzwischen mehren sich die Stimmen in Israel, daß es sich um hochgejubelte Proteste handle, angeheizt und zur imaginären Größe aufgebläht in den Medien YnetNews, Yediot Aharonot, und Channel 2 News, wie Kobi Arieli meint, einer der prominentesten religiösen Journalisten in den israelischen MSM. Er habe seine Ansicht auf Facebook veröffentlicht, wahrscheinlich, weil kein MSM solches veröffentlichen wolle. "Ich schäme mich für den schrecklichen Platz auf den die Medien in diesen Tagen geraten sind. Nein, ich habe nichts Besseres erwartet. Ich verachte sie seit Jahren, weil ich das seit Jahren kenne... Und ich bin stolz auf meine guten Freunde, die nicht genannt sein werden, die meisten von ihnen sind Leute aus den Medien. Alle, stelle ich fest, teilen meine Gefühle von Übelkeit und Frust und Hilflosigkeit."

Die israelischen MSM bewegen sich also dahin, wo sich die europäischen und viele andere westliche schon längst befinden. Die Anpassung ist in vollem Gange, und so zitiert Marc Henri denn auch nicht zufällig ausgerechnet Nahum Barnea, den Journalisten der Yediot Aharonot, den "einflußreichsten Leitartikler des Landes". Den kann er abkupfern von der Jerusalem Post über den australischen Herald Sun, den Kansas City Star bis Al-Jazeera und Xinhua, dieser Journalist prägt die über Israel veröffentlichte Meinung in aller Welt. Auch der Rest seines Artikels ist in anglophonen MSM besser nachzulesen, nur mit der angeblichen Spontaneität der Bewegung haben die es nicht so sehr, und deshalb setzt Marc Henri den Begriff in Anführungszeichen: "spontané". Auch die bislang immer betonte apolitische Erscheinung heißt nun "apolitique", der Korrespondent weiß schließlich nicht, was eines Tages noch darüber an die Öffentlichkeit kommen wird. Es seien Meinungsverschiedenheiten unter den Anführern der "unpolitischen" Bewegung über die einzuschlagende Taktik aufgetreten. Aber Daphni Leef, von der die Figaro-Leser von Marc Henri noch immer nicht wissen, wer sie ist, außer, daß sie das erste Zelt auf dem Rothschild Boulevard errichtet hat - im aktuellen Artikel ist sie um ein Jahr gealtert, von 24 auf 25 Jahre, vielleicht, weil das Leben im Zelt schlaucht -, Daphni Leef beruhigt den Korrespondenten: "Es gibt unter uns keinen Bruch, aber wie in allen Familien kann man sich streiten, ohne daß es unseren Wunsch in Frage stellt, zu existieren und gemeinsam zu kämpfen." Marc Henri ist beruhigt: "Für den Augenblick sind diese 'Empörten' in einem Punkt einig. Alle fordern die Einrichtung eines 'Wohlfahrtsstaates', anders gesagt, ein neues soziales Modell, gegründet auf den Bau von Sozialwohnungen, und eine Steuerreform, um die drückende Last zu mildern, die ausschließlich auf den Mittelklassen ruht." Das ist schon alles.

Zur partiellen Ehrenrettung des Figaro sei vermerkt, daß er sich auch Personals bedient, das persönlich vor Ort anwesend ist, in diesem Fall des AFP-Fotografen David Buimovitch. Der fotografiert die Szene in Tel Aviv, am 6. August 2011, und AFP untertitelt:

Des dizaines de milliers de manifestants ont défilé, samedi soir, dans les rues de Tel-Aviv, pour protester notamment contre la hausse effrénée du prix des logements. Crédits photo : DAVID BUIMOVITCH/AFP

Zig Tausend [sic!] Demonstranten sind Samstagabend in den Straßen von Tel Aviv vorbeigezogen, um vor allem gegen den zügellosen Anstieg der Wohnungspreise zu protestieren.

Wie staunt man, ein Foto vom selben Abend, aus demselben Blickwinkel und vom selben Fotografen in Le Parisien so untertitelt zu finden (zur Ansicht des Fotos bitte auf die kleine Lupe klicken):

Face à une grogne sociale qui s'amplifie, le Premier ministre israélien Benjamin Netanyahu a promis dimanche un dialogue et "des changements", au lendemain de manifestations ayant réuni 300.000 personnes contre la vie chère, un mouvement sans précédent selon les médias israéliens.

Gegenüber einem sozialen Murren, das sich ausweitet, hat Premierminister Benjamin Netanyahu am Sonntag, am Folgetag der Demonstrationen, die 300 000 Personen vereinte, laut den [= allen] israelischen Medien eine beispiellose Bewegung, einen Dialog und "Veränderungen" versprochen gegen den teueren Lebensunterhalt.

Und auf der Site von Radio Télévision Suisse, unter einem Foto derselben Menschenmenge, wieder von David Buimovitch, diesmal mit klar erkennbaren Umrissen, aus denen jeder, aber jeder sehen kann, daß es nie und nimmer 300 000 Demonstranten sind, selbst wenn man die ganze hier fehlende Kaplan Straße hinzudenkt:

Plus de 300'000 manifestants protestaient samedi à Tel-Aviv contre la montée des prix de l'immobilier. [David Buimovitch - AFP]. Mehr als 300 000 Demonstranten protestierten am Samstag in Tel Aviv gegen den Anstieg der Immobilienpreise.

Fernsehjournalisten, Profis im Schauen und Einschätzen, sollen es nicht gemerkt haben, daß das keine 300 000 Menschen sind? Man kann sie fast mit bloßem Auge zählen.

Das von Le Matin gewählte Keystone-Foto dagegen zeigt den Ausschnitt so, daß man jede Menge behaupten kann, von 65 000 bis 650 000. Im Schweizer Matin sind es an die 300 000 Demonstranten.

Auf dem AP-Foto von Oded Bality, in Le Monde, sieht man den in gleißendes Licht getauchten Demonstrationszug so verschwommen, und so geschickt fotografiert, daß man ebenfalls jede Zahl von Demonstranten annehmen kann. Le Monde berichtet, eingebettet ins Foto, von 200 000 Demonstranten (zum Sichtbarmachen Pfeil bitte aufs Foto führen), und im Artikel sind's dann mehr als 300 000.

L'Express, aus demselben Haus wie Le Figaro, wählt ein ar-Reuter-Foto von Amir Cohen; es zeigt ebenfalls einen unumrissenen Ausschnitt der Demonstration. 250 000 Demonstranten sind vorbeigezogen in Tel Aviv, wählt L'Express aus dem Zahlenangebot.

Der Trick bei den Fotos ist dieser, und wenn es David Buimovitchs Foto im Figaro nicht gäbe, käme man als nicht in Tel Aviv anwesender Leser nicht darauf: Die Fotos von Le Monde und Le Matin zeigen die Straße, anscheinend die von Uri Radler genannte Kaplan Straße, die ziemlich voll von Menschen ist. Die Fotografen fangen den Demonstrationszug in seiner Länge auf. Am verlogendsten ist dabei das Foto in Le Matin, weil dort der Eindruck erweckt wird, nicht nur eine Straße, sondern eine zweite, die sie kreuzt, sei ebenso bepackt mit Menschen. Dort ist aber kaum jemand, wie David Buimovitch dokumentiert.

Dies auch zum Thema Fotos sagen die Wahrheit. Jedes Jahr steht in Perpignan für die geballte Ladung Lügen die Ausstellung Visa pour l'Image. Die 23. Ausgabe beginnt am 27. August, sie dauert bis 11. September 2011. Die Fotos von den Hunderttausenden in Tel Aviv protestierenden Bürgern werden aber erst im nächsten Jahr gezeigt.

Die Lügen der israelischen MSM werden noch lange nachhallen.